Nachdem ich nun bereits ca. 1000 km (davon ca. 150km im Regen) mit meinem Compañero  reisen konnte, möchte ich euch heute an meinem ersten Eindruck des Anzugs teilhaben lassen. Zunächst aber nochmal vielen Dank an Philipp Kirchner der Firma Riller & Schnauck (Touratech Partner) in Berlin, da er sich wirklich sehr viel Zeit genommen und kompetent beraten hat.

Beim ersten Anziehen ist mir damals die ausgeprägte Steifigkeit des Materials im Vergleich zu meinen alten Anzügen aufgefallen. Das ist natürlich gerade bei höheren Geschwindigkeiten von Vorteil, da ein störendes flattern praktisch nicht vorkommt. Zunächst empfand ich diese Steifigkeit als etwas zu stark ausgeprägt, allerdings gibt sich das zum einen, sobald die Protektoren und das Material durch den Körper etwas warm werden und zum anderen ist solch ein Anzug natürlich nicht für einen Abend auf der Couch sondern als Rüstung gedacht und verlangt daher nach einer gewissen Starrheit. Außerdem ist die Bewegungsfreiheit, wenn man auf dem Motorrad sitzt oder steht, absolut ausreichend und man fühlt sich sehr gut aufgehoben.

Ebenfalls sehr auffällig beim ersten Kontakt mit dem Anzug, ist das hohe Gewicht, welches mit ca. 6 kg zu Buche schlägt. Da man beim Motorradfahren aber in der Regel vom Motorrad getragen wird, ist das Gewicht etwas vernachlässigbar. Ich denke jedoch, dass man gerade bei spontanen bzw. unvorhergesehenen „Wanderungen“ zur nächsten Tankstelle in diesem Anzug die nötige körperliche Konstitution mitbringen sollte. Allerdings hat das Gewicht einen absolut plausiblen Grund. Der Anzug ist im Grunde nicht nur einer, sondern eine Kombination aus sommerlich nutzbarem Protektorenanzug und einer GoreTex-Hülle, die absolut Wasserdicht ist. Da man beide Teile voneinander getrennt oder kombiniert anziehen kann, ergeben sich drei Variationen. Außerdem trägt zum Gewicht die absolut vorbildliche Ausstattung an Protektoren bei. Solche finden sich an Schulter, Ellenbogen, Wirbelsäule (langer Protektor, der nicht nur den oberen Bereich des Rückens schützt, sondern bis zur LWS reicht), Becken (links & rechts), Steißbein und beiden Knien. Erwähnenswert hierbei ist, dass gerade der in seiner Schutzeigenschaft sehr wichtige Wirbelsäulenprotektor aufgrund der Größe und der Schlagabsorptionseigenschaften  die gesetzlichen Richtwerte deutlich übererfüllt. Hierdurch und natürlich durch die gesamte Haptik vermittelt der Compañero ein sehr gutes Gefühl von Sicherheit. Außerdem sind die Materialien des Anzugs selbst sehr hochwertig und durchdacht gewählt. Der Komplette Anzug besteht aus Cordura Gewebe in unterschiedlichen Ausprägungen. Cordura ist ein sehr reiß- und abriebfestes Nylongewebe. An den sturzgefährdeten Stellen wie z.B. an den Schultern, den Ellenbogen oder den Knien wird Cordura 2000 verwendet, welches sich durch eine besondere Garndicke auszeichnet und daher fast an die Schutzeigenschaften eines Lederanzugs heranreicht. Die restlichen Stellen sind mit Cordura 500 gewebt, welches ebenfalls gute Abriebwerte erzielt, dabei aber die Flexibilität des Anzugs und damit den Tragekomfort nicht einschränkt. Eine absolute Besonderheit bietet das Cordura AFT Material, welches an den ungefährdeten Stellen des Innenanzugs verwebt ist. AFT steht hierbei für „Air Flow Technologie“ und besitzt wirklich eine unglaubliche Belüftungseigenschaft. Der Sommeranzug kann laut den Angaben des Herstellers locker bis ca. 40°C getragen werden und fühlt sich dabei an wie ein T-Shirt. Ich hatte ihn bisher nur einmal bei ca. 20°C im Einsatz und kann sagen, dass es wirklich sehr angenehm, mit Fahrtwind tendenziell sogar fast etwas zu kühl war. Ich kann mir also tatsächlich gut vorstellen, dass man auch bei 40°C noch halbwegs gut in dem Anzug fahren kann. Problematisch wird dann wahrscheinlich eher die Hitze im Helm.

Die Wahl der Materialien in Kombination mit den Protektoren ist die eine Sache und bildet daher sicher das Hauptkriterium bei der Auswahl eines Schutzanzugs. Gerade bei den Protektoren ist das Thema Schlagdämpfung bzw. Sicherheit allerdings gesetzlich geregelt und könnte daher auch durch andere Motorradanzüge abgedeckt werden. Der Compañero richtet sich an Motorradfahrer, die etwas mehr wollen. Das mag sich jetzt wie Marketinggeschwätz anhören, spiegelt sich aber absolut in der gesamten Verarbeitung und in der Detailverliebtheit wider, mit der der Anzug aufwartet. Eines dieser Highlights sieht man auf nebenstehendem Bild. Bei meinem vorherigen Anzug wurde die Feuchtigkeit bei starkem Regen nach einer gewissen Zeit durch den Druck des Fahrtwinds über den Reisverschluss an der Jacke ins Innere befördert. Der Aufbau des Compañero verhindert solch ein Eindringen durch die doppelte Überlappung der Reisverschlussabdeckung. Wie auf dem Bild zu erkennen ist, kann Wasser, welches seitlich hereingedrückt wird, nicht ins Innere gelangen, da es sofort, wie bei einer Regenrinne, nach unten abgeleitet wird.

Die Wetterbeständigkeit spielt auch bei der nächsten Eigenschaft ein entscheidendes Kriterium. Da man als Motorradfahrer in den verschiedensten Positionen auf dem Motorrad sitzen kann (unterschiedliche Motorradtypen verlangen andere  Sitzpositionen), muss der Anzug natürlich in jeder Position gewährleisten können, dass keine Feuchtigkeit von unten angesaugt wird und so ins Innere gelangt. Dies wird durch ein „Briefumschlagkonzept“ erreicht. Die wasserdichte Außenjacke besitzt an der Innenseite im unteren Teil eine Falte, in welche die Innenjacke eingeschlossen werden kann. Hierdurch wird beim Aufliegen der Jacke auf einer nassen (Sitz-)Fläche oder bei (Fahrt-)Wind, der Wasser von unten in die Jacke blasen kann, verhindert, dass das Wasser wirklich bis ins Innere gelangt.

Wie auf dem mittleren Bild zu sehen, sind all diese Gimmicks so angebracht, dass man sie in jedem Fall bequem befestigen kann, wenn man sie nicht braucht. Die Lasche wird beispielsweise einfach an der Innenseite der Außenjacke befestigt und hängt so nicht heraus, wenn man die Jacke beispielsweise als einfache Regen-/ Outdoorjacke verwendet. Auch hierbei zeigt sich die vielfältige Verwendbarkeit des Anzugs. Ursprünglich hatte ich in meiner Packliste auch eine dünne Regenjacke/-hose für den Fall, dass wir mal zu Fuß bei Regen unterwegs sein sollten und ich keine schwere Motorradjacke anziehen möchte. Die Möglichkeit einfach nur das Außenteil des Compañeros anzuziehen, schafft mir wieder etwas mehr Platz in den Koffern.

Abschließend ist natürlich noch der grundlegende Aufbau des Anzugs zu erwähnen, der für mich damals das entscheidende Kaufkriterium war. Ursprünglich wollte ich einen Tourenlederanzug nutzen, allerdings war mir die eingeschränkte Flexibilität bezüglich der verschiedenen Klimazonen und Temperaturbereiche ein Dorn im Auge und ich weitete meine Suche nach einem Textilanzug aus. Nach etwas Recherche stellte sich heraus, dass es wohl gängige Praxis bei Textilkombinationen für mehrere Wetterlagen ist, lediglich ein Innenteil aus wasserabweisender Membran einzuhängen. Aus Sicht des Outdoorers, der jahrelang gut mit dem Zwiebelprinzip durch Wind und Wetter gewandert ist, störte mich der Gedanke, die schützende Schicht nicht an der Außenseite sondern innen zu haben. Zum einen wird der Anzug durch das aufgesaugte Wasser deutlich schwerer und zum anderen wird die benötigte Verdunstungsenergie zum Teil dem eigenen Körper entzogen. Der Compañero hat dieses Problem nicht, da die Außenhülle kein Wasser aufsaugt.

Da ich den Anzug hier natürlich kritisch bewerten möchte, habe ich noch eine negative Kleinigkeit, die man aber sicher als „Jammern auf hohem Niveau“ bewerten kann. Die innere Jacke bietet am Rücken eine große Tasche, die man bei Bedarf auch komplett lösen und als Tragetasche verwenden kann. Diese Idee finde ich an sich wirklich großartig. Die Tasche wird allerdings von Touratech dahingehend beworben, dass sie bei warmen Temperaturen auch als Stauraum für die Außenjacke genutzt werden kann. Soweit wirklich ebenfalls eine sehr gute Idee. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass die Tasche noch ein paar cm größer wäre. Ich kenne natürlich keine Verkaufszahlen von Touratech, aber ich könnte mir vorstellen, dass meist der komplette Anzug und nicht nur die Jacke Verkauft wird. Die nicht ausreichende Größe der Tasche hat zur Folge, dass ich bei warmen Temperaturen zwar die Jacke aber nicht die Hose in der Rückentasche verstauen kann und so doch wieder auf die Mitnahme zusätzlichen Stauraums (Koffer/Rucksack etc.) angewiesen bin.

Als Fazit kann ich den Anzug bisher für einen Einsatzzweck wie ich ihn habe zu 100% empfehlen. Eine uneingeschränkte Empfehlung würde ich vor allem aufgrund des Preises aber nicht abgeben wollen. Allerdings wird durch den Namen „Compañero Worldwide“ schon klar, dass dieser Anzug nicht (nur) dafür gedacht ist, am Sonntag mal für eine Stunde bei schönem Wetter mit dem Motorrad auszufahren. Auch wenn er für solch eine Spritztour ebenfalls uneingeschränkt geeignet ist, will dieser Anzug viel mehr sein. Er will als treuer Begleiter durch Wind und Wetter auf langen (Offroad-) Touren verstanden werden, der vor allem mit den vielen praxisnahen Kleinigkeiten überzeugen kann und bisher denke ich, dass er dieser Aufgabe auch absolut gerecht wird. Der wirkliche Test auf Herz und Nieren steht ihm allerdings noch bevor und ich werde hier natürlich von seinem Abschneiden berichten..