Peru hat wie bisher kein anderes Land sehr unterschiedliche Eindrücke bei mir hinterlassen. Als wir über die Grenze nach Tumbes kamen, erlebten wir zunächst eine sehr touristische Gegend. Auch Máncora, eine nicht allzu weit entfernte Stadt in der wir uns für die Nacht niederließen, machte durch die schönen Strände und das idyllische Bild von Fischerbooten vor der Küste einen ähnlich einladenden Eindruck. Hier hatten wir auch das erste Mal ein peruanisches Gericht, welches sich aufgrund seiner Beliebtheit ebenfalls weiter in den südlichen Ländern verbreitet hat: „Ceviche“. Im Wesentlichen wird hierbei kleingeschnittener roher Fisch in Limettensaft mariniert, was eine Denaturierung des Eiweißes zur Folge hat, also dem Fisch eine Struktur verleiht, als hätte man ihn gekocht. Mit Zwiebeln und Chili schmeckt das wirklich ausgezeichnet. Am nächsten Tag ging es bei 38° C wieder aufs Motorrad und im Eiltempo in Richtung Süden, da unser Besuch ebenfalls schon in Peru angekommen war.

Den Weg, den wir die nächsten zwei Tage bis südlich von Lima zurücklegten, hat wiederum ein sehr unschönes Gefühl in mir aufkommen lassen. Weg vom Tourismus fuhren wir knapp 1.200 km durch ein Landschaftsbild aus Sand, extremer Armut und Müll. Der Müll lag allerdings nicht nur am Straßenrand, sondern wurde durch den Wind überall herum geblasen und dadurch, dass ein Großteil des Mülls einfach verbrannt wurde, stank es jedes Mal, wenn man sich einem besiedelten Gebiet näherte, unbeschreiblich. Irgendwie hatte ich zu dem Zeitpunkt das Gefühl, dass ich Peru liebend gerne direkt wieder verlassen würde. Der Kontrast zu Ecuador und die Erwartung an ein bergiges Land mit grandiosen Inkaruinen (Machu Picchu) hat so gar nicht zu dem gepasst, was wir hier vorfanden und zum wiederholten Mal spürte ich auf der Reise hautnah, dass es Orte auf dieser Welt gibt, an denen die Lebensumstände wirklich katastrophal sind und trotzdem ist dies für viele Menschen alltägliche Realität. Trotzdem begegnete man uns auch inmitten dieser Orte wieder mit außerordentlicher Gastfreundschaft. Am prägnantesten ist mir in Erinnerung geblieben, wie wir durch Trujillo irrten und nach einem Weg aus der Stadt in Richtung Cusco suchten. Nachdem wir an einer Ampel einen Taxifahrer nach dem Weg fragten, muss dieser per Funk an seine Kollegen durchgegeben haben, dass zwei Motorradfahrer Hilfe bei der Navigation benötigen, da auf einmal an allen Ecken Menschen aus gelben Autos heraus in bestimmte Richtungen zeigten, uns Cusco zuriefen und mit nach oben gerichteten Daumen zujubelten.

In der Stadt Mórrope ist uns ebenfalls wieder sehr viel Begeisterung entgegengeschlagen. Wir hatten dort in einem kleinen Restaurant ein landestypisches Mittagessen bestellt, ohne zu wissen was uns erwartet und bekamen als Vorspeise Ceviche, als Hauptgang Ziege und als Getränk Chicha. Chicha ist ein auf Mais basiertes Bier, welches schon zu Inkazeiten getrunken wurde, mir allerdings nur mäßig geschmeckt hat. Erst Tage später haben wir erfahren, dass ein elementarer Teil des (traditionellen) Herstellungsprozesses Speichel ist. Traditionsgemäß werden alle Zutaten verkocht, von Frauen ein Teil der Masse gekaut und wieder zurück in den Gärbehälter gegeben. Die im Speichel enthaltene Amylase ist dabei für die Umwandlung der Maisstärke in Zucker verantwortlich, welcher die Grundvoraussetzung für eine Gärung bildet. Nachdem wir fertig waren mit Essen, wollten die Besitzer unbedingt ein Foto mit uns machen und holten für das spontane Fotoshooting extra den Dorffotografen. Ganz stolz erklärte man uns, dass sie vor ein paar Jahren auch von Schweizern besucht worden wären und wir nächsten Monat ebenfalls als Poster an der Wand hängen würden. Der nächste Fototermin wartete auf uns als wir zufällig an einer Tankstelle die peruanischen Schlagergrößen von „Los Villacorta“ trafen, die uns, nachdem sie hörten was wir machen, jeweils eine CD schenkten und ebenfalls ein Foto mit uns machen wollten. Ich weiß nicht, ob die umstehenden Passanten, die ihr Handy ebenfalls für ein Foto zückten eher uns oder die Musiker fotografieren wollten, ich gehe aber mal davon aus, dass es ein Mix aus beidem gewesen sein muss.

Da wir von Lima gehört hatten, dass es zwar ein paar wenige schöne Ecken hat, aber durchaus spannendere Städte in Peru gibt und wir uns beeilen mussten, um unseren Besuch zu erwischen, nutzten wir die späte Stunde aus, in der wir die Stadtgrenze erreichten, fuhren bei mäßigem Verkehr einfach durch und übernachteten ein paar Kilometer weiter südlich.  Nachdem wir am nächsten Tag durch unzählige Kilometer Wüstenlandschaft gefahren waren, kamen wir in die Nähe der Stadt Nazca, wo die bekannten und gleichnamigen Linien im Wüstenboden vorzufinden sind. Diese Linien bilden Figuren, von denen die ältesten bereits seit 800 v. Chr. existieren. Ursprünglich dachten wir, dass man die Figuren nur aus dem Flugzeug oder von einem Berg aus sehen kann, fuhren dann aber an einem Aussichtsturm vorbei von dem aus man die beiden Bilder „Hände“ und „Baum“ anschauen kann. Um den Turm besteigen zu dürfen, muss man sich in einer Art Gästebuch eintragen und wer stand vier Zeilen über uns? „Wolfgang Dähn“ und „Peter Zey“, unsere Väter. Eigentlich wollten wir uns erst in Cusco mit den Beiden treffen, aber wir waren etwas schneller als erwartet. Nachdem wir uns die Linien angeschaut hatten, fuhren wir in die Stadt und zufälligerweise direkt in die richtige Straße, wo unsere Väter gerade auf der Suche nach einem Restaurant zum Abendessen durchliefen. Nachdem wir uns begrüßt und im gleichen Hotel eingecheckt hatten, schlossen wir uns an und tauschten beim gemeinsamen Abendessen jeweils unsere bisherigen Erfahrungen der Reise aus.

Bevor wir uns am nächsten Morgen vorübergehend wieder voneinander verabschiedeten, nahm ich noch mein Mitbringsel aus Deutschland in Empfang. Mein Vater hatte mir sechs Marzipanriegel mitgebracht. Stark!! Unsere Väter fuhren danach wieder zurück nach Lima, um von dort aus nach Cusco zu fliegen und wir machten uns auf eine zweitagestour über die Anden zu unserem gemeinsamen Ziel. Auf einer Strecke, die ca. 4.000 Metern über dem Meeresspiegel verläuft, wurden die Probleme, die wir vorher schon mit dem Motorrad in Ecuador hatten, nochmal deutlich stärker, sodass Constantin mit seiner Honda zweitweise nur im ersten Gang und unter großer Anstrengung des Motors mit max. 25 KM/h fahren konnte. Diese Langsamkeit hatte allerdings auch etwas für sich, da man deutlich mehr von der Umwelt sieht. Unter anderem haben wir so unsere erste Bekanntschaft mit frei lebenden Vicuñas, Alpakas und Lamas gemacht. Alle drei Tiere sind miteinander verwandt, leben in den Anden, unterscheiden sich aber in ihrer Größe, ihrem Verhalten und von der Art ihres Fells. Das Fell der Vecuñas gilt als das weichste und seltenste der Welt. Alle zwei Jahre werden in den peruanischen Anden in einer traditionellen Scherzeremonie die Tiere in Gatter getrieben, um die Wolle zu entfernen und zu Kleidung zu verarbeiten. Auch sonst merkt man, dass in den Bergen eine komplett andere Art zu leben vorherrscht  als im durch Wüste geprägten Norden des Landes. Gerade die Frauen tragen überwiegend noch traditionelle Kleidung und je nach Art  kann man beispielsweise erkennen, ob sie zur Volksgruppe der in der Andenregion lebenden Quechua gehören (siehe unterschiedliche Hüte in den Bildern). Handwerkliche Arbeiten, Landwirtschaft und das Leben im Einklang mit der Natur hat hier scheinbar eine deutlich höhere Bedeutung als im Norden und langsam wurde die ursprüngliche Vorstellung, die ich von Peru hatte bestätigt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit in großer Höhe ging es irgendwann wieder bergab, der Sauerstoffgehalt wurde wieder höher und sowohl wir, als auch unsere Motorräder konnten wieder leichter atmen. Nach einer Übernachtung in der Stadt Abancay fuhren wir am nächsten Tag weiter nach Cusco, wo unsere Väter bereits morgens angekommen und gerade dabei waren die Stadt zu erkunden. Wir checkten ebenfalls im Hotel ein, suchten für die folgenden Tage einen Stellplatz für unsere Motorräder und ruhten uns zunächst von der Fahrt aus, um später zu viert Essen zu gehen. Vorher besuchten wir noch gemeinsam die Kathedrale von Cusco. Das Gemälde des letzten Abendmahls (Link zum Bild) gab bereits einen bildhaften Eindruck von einer der Andendelikatessen. Laut dieser Interpretation stand auf dem Speiseplan für Jesus und seine Jünger nämlich „Cuy“, im Deutschen besser bekannt als Meerschwein. Mein Vater und ich folgten dem Beispiel und bestellten uns eine Platte mit lokalen Delikatessen. Gereicht wurde Meerschwein, Alpaka, Forelle und Rind, die wir begleitet von traditioneller Andenmusik zu uns nahmen. Alpaka hat mir sehr gut geschmeckt. Das Meerschwein hat einen eher strengen Geschmack, der durchaus okay ist, aber sicher nicht zu meinen Favoriten zählt.

Am nächsten Tag wurden wir morgens um acht abgeholt und zu unserem ersten Ziel an diesem Tag gebracht. Dem Santuario Ccochahuasi (link). Diese Auffangstation für Tiere liegt genau zwischen Cusco und Písac und kümmert sich entweder um nicht (mehr) gewollte Haustiere, wie im Müll gefundene Schildkröten oder Tiere, wie zwei Pumas, die mit Drogen vollgepumpt als Attraktion in einem Nachtclub gehalten und nach einer Anzeige durch die Polizei befreit wurden. Das Ziel ist diese Tiere, sofern sie nicht zu verstört oder unheilbar verletzt sind, nach ihrer Genesung wieder freizulassen. Das „größte“ Highlight und ein weiteres Ziel des Santuarios ist allerdings der Einsatz zum Erhalt gefährdeter Arten wie dem Andenkondor. Mit einer Spannweite von ca. drei Metern ist dieser Vogel absolut beeindruckend. Leider werden sie nach wie vor gejagt und die langen weißen Federn für mehrere tausend Dollar auf dem Schwarzmarkt verkauft.

Die nächste Station führte uns nach Písac, eine Stadt die das heiligen Tal (Valle Sagrado) im Norden markiert und am Fluss Urubamba liegt. Berühmt ist die Stadt unter anderem für den großen Markt, auf dem traditionelle Güter aus der Andenregion verkauft werden sollen. Durch die Touristenströme, die hier täglich durchkommen hat sich der Markt aber meiner Meinung nach dahingehend verändert, dass überall überwiegend das gleiche Verkauft wird: Souvenirs und Klamotten aus Alpakawolle. Daher hielten wir uns hier auch nur sehr kurz auf und fuhren entlang des Urubamba weiter nach Süden in die Inkastadt Ollantaytambo, die den südlichsten Punkt des heiligen Tals markiert und noch immer bewohnt wird. An einem der angrenzenden Felsen befindet sich ein großer Komplex der Inka, der früher unter anderem dazu genutzt wurde, auf Terrassen Lebensmittel anzubauen, zu lagern und in dem sich im oberen Teil sowohl spirituelle als auch militärisch genutzte Gebäude befinden. In der gleichen Stadt befindet sich auch die Zughaltestelle, die zu unserem eigentlichen Ziel für diesen Tag führte: Aguas Calientes, Ausgangspunkt zur Besichtigung der Ruinenstadt, des Weltkulturerbes und Highlights „Machu Picchu“. Die Stadt wurde im 15. Jahrhundert auf 2.360 Metern erbaut, konnte bis zu 1.000 Menschen beherbergen und hat noch heute eine aus der damaligen Zeit voll funktionsfähige Wasserversorgung. Als wir dort am nächsten Morgen zur Besichtigung ankamen, war es zunächst sehr bewölkt und neblig, was der Stadt eine noch mystischere Aura verlieh, als sie sowieso schon hat. Gegen frühen Vormittag waren alle Wolken verschwunden und wir konnten die Stadt bei perfektem Wetter erkunden, bis es am Nachmittag mit dem Zug wieder zurück nach Cusco ging.

Unsere Väter reisten am nächsten Tag schon wieder relativ früh in Richtung des Titicacasees ab. Wir hingegen genossen noch etwas die Annehmlichkeit mal in einem „richtigen“ Hotel zu übernachten und machten uns erst am späten Vormittag auf den Weg. Bevor wir Cusco jedoch komplett verließen, suchten wir noch jemanden, der Öl entsorgen konnte und führten einen Ölwechsel durch, um unsere Motorräder fit für die letzte große Etappe in Richtung Feuerland zu machen. Der Weg zwischen dem auf 3.416 Meter liegenden Cusco und unserem Ziel Puno, welches am Titicacasee auf 3.800 Metern liegt, führte uns über den Bergpass „Abra La Raya“ auf 4.338 Metern, was wieder mal zu den altbekannten Problemen mit der Sauerstoffversorgung der Motorräder führte, die sich anders als wir leider nicht an die Höhe gewöhnt hatten. Trotzdem kamen wir ohne größere Zwischenfälle in Puno bei unseren Vätern an. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit gestaltete sich der Abend eher Ereignislos. Am nächsten Tag fuhren wir wieder getrennt voneinander ab und hatten geplant uns erst zwei Tage später wieder in La Paz zu treffen.  Unser Weg führte uns um den See herum und an die Grenze zu unserem nächsten Land der Reise: Bolivien.

Am Ende wieder das Essen:

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