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07.08 – 20.08 Wheatland bis Cleone

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Gegen neun Uhr abends trafen wir nach unserer Nord-Süd Durchquerung des Staates Wyoming außerhalb von Wheatland auf eine Ranch, die der Beschreibung nach die sein konnte, auf der John lebt. Zunächst waren wir uns aber nicht sicher, ob wir richtig sind, da der Eingang mit einem Stacheldraht verschlossen war, an dem ein Schild angebracht wurde, welches mit einer Strafe von bis zu 10.000$ drohte, sollte man das Grundstück betreten. Wir haben also einfach mal wild gehupt, um nach dem Weg zu fragen und gehofft, dass sich kein Cowboy zu später Stunde gestört fühlt und versucht uns mit Waffengewalt zu vertreiben. Wir hatten Glück. Aus dem Haus kam John, der sich natürlich sehr freute uns zu sehen und daher herzlich in Empfang nahm. Er erklärte uns, dass der Stacheldraht die Kühe aus dem Umland vom Grundstück fernhalten sollte und das Schild durch den Rancher angebracht wurde, um unliebsame Gäste fernzuhalten. Nachdem wir uns mit einer selbst gemachten Pizza gestärkt und von unserer bisherigen Reise berichtet hatten, planten wir die nächsten Tage und gingen ins Bett. Der nächste Tag begann vergleichsweise früh für mich, da ich eine neue Kette und ein Ritzel auf mein Motorrad bekommen sollte. John brachte mich zur Werkstatt, über die ich die neuen Teile bestellt hatte und zeigte mir danach etwas von seiner Arbeit. Kurz beschrieben ist es in Wyoming so trocken, dass John in den Sommermonaten täglich den Wasserstand bestimmter Reservoirs überwacht und anhand des Pegels entscheiden muss, wie das Wasser unter der Bevölkerung und vor allem den Bauern (zur Bewässerung) aufgeteilt wird. Da diese Reservoirs in den Bergen liegen, besteht ein Großteil seiner Arbeit darin, mit seinem Quad und seinem Truck durch die Natur zu fahren und sich den Weg zu seinem Ziel zu bahnen. Nach mehreren durchquerten Flüssen und einigen Kilometern in die Wildnis, checkten wir den Wasserstand eines Reservoirs und fuhren zurück in die Stadt. Ich ging zu Westwind Motorcycles und wurde durch den Mechaniker empfangen, der mein Motorrad repariert hatte. 370$ für eine Kette und die Arbeitszeit empfand ich als extrem teuer, aber die Waffe, die in seinem Hosenbund steckte, umgab ihn mit einer gewissen Aura, sodass ich mich nicht beschwerte, bezahlte und über meine neue Kette freute, die mich mindestens bis in den Norden Südamerikas bringen sollte.

Als ich zurück zu Johns Wohnung kam, begegnete mir Constantin ein wenig niedergeschlagen. Er hatte die letzten Wochen immer wieder davon gesprochen eine Angel zu kaufen und uns einige Fische zu fangen. Paul, der selbst gerne fischt, war natürlich Feuer und Flamme und kaufte gemeinsam mit Constantin einen Tag zuvor in Buffalo eine Teleskopangel nebst Zubehör. Als er nun von seinem ersten Angelerlebnis im Fluss hinter Johns Haus zurückkehrte, hatte er leider keine Fische, sondern nur diverse Steine und Bäume gefangen, was dazu führte, dass die neue Angel bereits gebrochen war und sich die Haken irgendwo auf dem Grund des Flusses befanden. John versicherte ihm, dass das am Anfang durchaus öfter passiert, wir aber am nächsten Tag eine neue Rute kaufen und einen neuen Versuch wagen könnten. Den Abend ließen wir mit einem entspannten BBQ im Garten ausklingen und beobachteten dabei den Meteoritenschauer, der aufgrund der fehlenden Umgebungsbeleuchtung durch größere Städte super zu sehen war. Am nächsten Morgen machten wir uns dann auf den Weg zur höchsten Erhebung der Laramie Mountains, dem Laramie Peak (3132 Meter) und in ein nahegelegenes Reservoir, um endlich ein paar Fische zu fangen. Unter Johns Anleitung gelang es Constantin auch tatsächlich einen Fisch zu fangen und ihn aus dem Wasser zu ziehen, allerdings war er zu klein, um ihn zu essen, sodass er wieder ins Wasser entlassen wurde. Da es zum Abendessen somit keinen Fisch gab, zauberte John einen traditionell zubereiteten amerikanischen Hackbraten (Meatloaf). Traditionell amerikanisch ging es auch am nächsten Morgen weiter, als wir ein paar hundert Meter raus gingen, um mit einem Smith and Wesson Revolver .387 und einer Remington 870 Magnum Pumpgun ein paar Büchsen abzuschießen. Nach ein paar Versuchen und der Zeit, die es braucht, um sich an den Rückstoß zu gewöhnen, wird man doch erschreckend schnell sehr treffsicher. Da ist es schon verrückt, dass man einfach in einen Walmart spazieren kann, um sich mit allem einzudecken, was man so für seinen privaten Kleinkrieg braucht. Im ortsansässigen Sportgeschäft hätten wir beispielsweise für 11.000$ ein Scharfschützengewehr kaufen können. Wofür benötigt man so etwas daheim? Nichts desto trotz bringt so ein kurzer Ausflug in die Welt der Schusswaffen auch einen gewissen Reiz und Spaß mit sich. Nachdem wir alle Hülsen und durchlöcherten Dosen eingesammelt und uns wieder abfahrtbereit gemacht hatten, ließen wir John und Wheatland hinter uns, um uns zurück in Richtung Küste zu bewegen. John hatte uns noch empfohlen einen kleinen Schlenker durch den Medicine Bow National Forest zu unternehmen.

Gute Empfehlung! Glücklicherweise verfuhren wir uns ein wenig, was zu Folge hatte, dass wir noch etwas von Colorado sahen und uns mitten in der Steppe begleitet von Coyoten Geheul einen Schlafplatz suchten. Nach endlosen Kilometern auf Schotterwegen fanden wir schließlich einen öffentlichen Campingplatz auf dem wir neben ein paar Kühen die einzigen Anwesenden waren. Die nächsten beiden Tage führten uns entlang der für die USA historisch bedeutsamen Interstate 80 (I-80), welche nahezu identisch mit dem historischen Lincoln Highway verläuft, der bereits 1913 erdacht wurde und beide Küsten miteinander verbinden sollte. Er verlief vom Time Square in New York bis zum Lincoln Park in San Francisco. Uns führte er an diesem Tag lediglich durch Rock Springs und Salt Lake City. Die Stadt am Salt Lake ist die Hauptstadt des Bundesstaat Utah, wurde 1847 von religiösen Flüchtlingen der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ (kurz: Mormonen) gegründet und bildet auch heute noch deren Zentrum. Im Stadtkern steht der Salt Lake Tempel, der am 6.April 1893 exakt vierzig Jahre nach Baubeginn eingeweiht wurde und seither der größte Tempel der Mormonen ist. Die ursprünglich geplante Erkundung des namengebenden Salt Lake haben wir aufgrund eines aufziehenden Gewitters ausfallen lassen und sind begleitet von Regen am gleichen Abend noch in Richtung Westen geflüchtet. Zu später Stunde hielten wir am Lottie Dell Campground in Snowville, welcher an einem Golfplatz gelegen für alle Übernachtungsgäste einen Eimer Golfbälle auf der campingplatzeigenen Driving Range bereithält. Am nächsten Tag nutzen wir dies, um uns in dieser Disziplin zu versuchen. Golf ist definitiv nicht unser Sport, deshalb ging es auch kurze Zeit später weiter und wir erreichten am Abend noch die erste Stadt Oregons auf unserer Route, Ontario. Das Touristeninformationscenter am Ortseingang lud zum ausgiebigen Rasten auf dem Gelände ein, was wir als Aufforderung zur Übernachtung verstanden und dankend annahmen. Der nächste Tag war der bisher anstrengendste der gesamten Reise, da wir den gesamten Tag ausschließlich durch einen Mix aus Wüste und Prärie fuhren. Unsere Motorräder wurden immer heißer und die neue Kette, die mir schon seit ihrer Montage sorgen bereitete, fühlte sich zunehmend so an, als würde sie mir gleich vom Motorrad springen. Aus diesem Grund hatten wir bereits die letzten Tage mehrere Stopps einlegen müssen, um sie zu spannen. Ich hoffte lediglich, dass die Kette an diesem Tag noch durchhält und wir bzw. ich nicht hier strande und in der Hitze auf Hilfe warten muss. Es ging zunächst alles gut und wir erreichten Bend. Hier wollten wir tanken, etwas trinken und uns kurz auszuruhen. Der Plan war an diesem Tag noch den Willamette National Forest zu erreichen, um einen Tag später endlich den berühmten Highway 101 entlang der Küste nach Süden zu fahren. Als wir an der Tankstelle standen, sah uns Jay und sprach uns auf unsere deutschen Nummernschilder und die Flaggen an. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte uns von seiner deutschen Verwandtschaft. Kurz danach lud er uns zu sich nach Hause ein und bot seinen Garten an, um unser Zelt dort aufzubauen. Natürlich nahmen wir das Angebot an und fuhren mit zu ihm nach Hause. Auf die Frage, ob in der Nähe ein kleiner See sei, den wir zum Abkühlen nutzen könnten, entgegnete er, dass er sowieso gleich in seinen Pool springen wollte und wir uns gerne dazugesellen könnten. Perfekt! Jay und seine Freundin Heidi hatten an diesem Abend noch weitere Freunde zu Gast und uns wurden verschiedene Biere der ortsansässigen Brauereien gezeigt. Bend hat mit 21 Brauereien eine sehr hohe Dichte, ist daher als Bierhauptstadt des Westens bekannt und man merkt, dass die Leute hier, gerade gegenüber Deutschen, mächtig stolz auf die aufkommende Braukultur sind. Zu Recht! Viele der Weltbierpreise gehen mittlerweile an diese kleinen Brauereien in den USA und auch mir schmeckt das was hier gebraut wird außerordentlich gut. Nach einem tollen Abend mit Bier und gutem Essen fuhren wir am nächsten Morgen weiter, um an diesem Tag die Küste zu erreichen.

Nach ca. 3 Kilometern merkte ich allerdings, dass sich meine Kette immer schlimmer anfühlte und wir legten, bevor wir eigentlich richtig los gefahren waren, wieder eine Pause ein, um die Kette erneut zu spannen. Das Problem war nun aber, dass sie nicht mehr zu spannen ging. Ich hatte trotz maximal einzustellender Spannung noch ein Kettenspiel von ca. 7 cm, normal sind 3cm. Ich wollte so nicht weiterfahren und machte einen kurzen Stop bei ProCaliber, um eine professionelle Einschätzung der Lage zu erhalten. Schnell war klar, dass ich in Wheatland 370$ Lehrgeld bezahlt hatte und dafür zukünftig den Unterschied zwischen einer O-Ring Kette und einer Standartkette kenne. Was nämlich in Wheatland auf mein Motorrad aufgezogen wurde, ist laut dem Service Manager "Rex" bei Pro Caliber bestenfalls für Dirtbikes geeignet, die keine längeren Strecken fahren. In unserem Fall wird die Kette durch die Dauerbelastung allerdings so heiß, dass sie sich verformt und relativ schnell nicht mehr zu gebrauchen ist. Für 145$ habe ich innerhalb von einer halben Stunde nach Ankunft eine neue O-Ring Kette erhalten. Für die gute, schnelle und vergleichsweise sehr günstige Arbeit möchte ich nochmal meine Empfehlung für Pro Caliber aussprechen. Sollte jemand also mal in der Nähe um Bend in Oregon unterwegs sein und Probleme mit seinem Motorrad haben, ist das eine sehr gute Adresse. Nachdem die BMW wieder fit war, konnten wir endlich losfahren und erreichten abends schließlich Newport, welches unser Tor zum 101 und den Beginn unserer Küstentour bildete (siehe Brückenbild ganz oben). So viele Menschen hatten mir bereits im Vorfeld in Deutschland vom 101 vorgeschwärmt und auch auf der bisherigen Reise haben wir vielen Leuten ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, wenn wir davon erzählten demnächst den 101 in Richtung Süden zu nehmen. Es war für mich schwer zu verstehen, wieso diese Straße immer diese Reaktion auslöst, aber seitdem ich nun selbst bereits ca. 700 km dieses Highways gefahren bin, weiß ich diese Reaktion zu deuten. Es ist einfach eine traumhafte Straße. Die meiste Zeit hat man auf der einen Seite die Küste und einen grandiosen Blick auf den Pazifik, wenn die Straße nicht gerade durch ein kleines Küstenstädtchen oder die gigantischen Redwoods führt. Anders als viele der Straßen, die wir bisher gefahren sind hat der 101 (und auch später der Highway 1) außerdem sehr viele Kurven, was ihn für Motorradfahrer umso spannender macht. Entlang des 101 machten wir einen kurzen Halt am Sea Lion Cave. Hier kann man mit einem Aufzug in eine Höhle fahren, um sich dort Seelöwen anzuschauen. Wir überlegten kurz, ob wir in die Höhle sollten, entschieden uns aber dagegen, da man auch von der Straße aus einige dieser Tiere sehen konnte und ich bin froh, dass wir uns so entschieden haben, denn nach ein paar Minuten viel mir eine Spur im Wasser auf. Erst dachte ich, dass einer der Seelöwen Grund aufgewirbelt und in einer Linie hinter sich hergezogen hätte, bis diese Spur immer größer wurde, schließlich auftauchte und ich erkannte, dass das was ich dort gesehen hatte keine Spur im Wasser sondern Wale waren. Leider weiß ich nicht um welche Walart es sich handelte, aber trotzdem ist es aufregend so zufällig diese riesigen Tiere in freier Wildbahn zu Gesicht zu bekommen. Nach diesem Erlebnis machten wir uns auf den Weg und trafen am Floras Lake ein. Ich hatte schon länger den Wunsch mal Kitesurfen auszuprobieren und es schien so, als würde sich hier die Gelegenheit ergeben. Der See ist durch eine Düne umschlossen, sodass hier keine großen Wellen sind. Er liegt aber direkt am Pazifik, sodass der Wind ungebremst über die Düne in die Kites dringen kann und so für genügend Vortrieb sorgt. Da wir allerdings leider an einem Wochenende hier angekommen waren, hatte die ansässige Surfschule keinen Slot mehr für einen Lehrgang frei und so genossen wir einfach einen Tag am Pazifikstrand. Bevor wir montags abreisen wollten, lernte ich noch Lynda kennen, die mit ihrer gesamten Familie öfter zum Surfen hier her kommt und ca. 4h südlich wohnt. Nachdem sie mir ein paar Tipps für die Redwoods gegeben hatte, bot sie uns noch einen Schlafplatz und ein Abendessen bei sich an, sollten wir durch Fortuna kommen. Einer der Tipps in den Redwoods war durch den Jedediah Smith Park entlang des Highway 199 zu fahren, welche eine kurze aber tolle Motorradstrecke ist, die auf die Mammutbäume des Redwood Nationalparks einstimmt. Anschließend kehrten wir bei Lynda, Kirk, Amos und Moriah ein. Wir kamen unwissend zu einem besonderen Anlass, da Amos an diesem Tag 20 Jahre alt wurde. Mit einem vorzüglichen Geburtstagsdinner wurden wir empfangen und wieder einmal muss ich über diese enorme Gastfreundschaft staunen. Amos, der momentan in einer Werkstatt arbeitet, erklärte sich noch bereit den defekten Seitenständer von Constantin zu reparieren und so verließen wir gestern Mittag gestärkt Fortuna, um die Avenue oft the Giants zu befahren. Diese Straße gehörte ursprünglich zum 101 und führt durch den Humboldt Redwoods State Park, in dem einige der bekanntesten Bäume der Redwoods stehen. Unter anderem der Immortal Tree, der ca. 950 Jahre alt ist und eine Sturmflut von 1964, einen direkten Blitzeinschlag, der 14 Meter der Spitze abtrennte und einen Abholzungsversuch überlebte. In Leggett sind wir dann vom 101 abgefahren, da dieser hier ins Landesinnere führt und durch den Highway 1 vorübergehend als Küstenstraße abgelöst wird. Das Tagesziel für heute: San Francisco.

28.07 – 07.07 Tacoma bis Wheatland

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Puh… 806,67 $. Der erste Service war deutlich teurer als gedacht, allerdings ist auch einiges an der BMW erneuert worden. Durch die staubigen Straßen in Alaska war der Luftfilter fällig. Außerdem gab es hinten neue Bremsbeläge, neues Öl, einen neuen Hinterreifen und einen außenliegenden Benzinfilter, den ich schnell austauschen kann und der den Motor vor eventuell verunreinigtem Benzin in Südamerika schützt. Der Mechaniker hat mir zudem nahegelegt, demnächst eine neue Kette montieren zu lassen, da diese durch Staub und Sand der Schotterstraßen ebenfalls ziemlich abgenutzt war. Seattle haben wir sonst weitestgehend zum Relaxen genutzt und das gute Wetter genossen. Da Constantin und ich aus dem IT-Bereich kommen, haben wir natürlich auf unserem Weg nach Osten einen kurzen Schlenker eingelegt und in Redmond bei Microsoft vorbei geschaut. Leider gibt es nicht wirklich viel zu sehen, sodass wir auch nur kurz das WLAN im Visitors Center genutzt und unsere Trinkflaschen aufgefüllt haben, bevor es weiter in Richtung Osten ging. Wieso nach Osten und nicht nach Süden? Vor 12 Jahren war ich über meine Schule im Zuge eines Austauschprogramms das erste Mal in den USA und da ich mit meiner damalige Gastfamilie noch immer in Kontakt stehe, wollte ich sie natürlich, wenn wir eh schon mal in der „Nähe“ sind, besuchen. Glücklicherweise wohnen sie nicht mehr in Lake Mills, Wisconsin, was von Seattle 3.123 km entfernt gewesen wäre, sondern sind alle in den Bundesstaat Wyoming gezogen. Auf dem Weg in die Stadt Buffalo, welche nur noch 1.580 km östlich von Seattle liegt und die neue Heimat der Eltern und der Schwester meines Austauschpartners John ist, wollten wir uns ebenfalls den Yellowstone Nationalpark anschauen. Auf der Fähre von Victoria nach Port Angeles haben wir außerdem das Bikerpaar Rob und Liane kennengelernt, die uns von einer Motorradrally in Sturgis erzählt haben. Ehrlich gesagt hatte ich vorher noch nie etwas davon gehört, aber dort findet wohl jährlich DAS Motorradtreffen statt. Zum diesjährigen 75. Jubiläum wurden über den gesamten Zeitraum 1,7 Millionen Motorräder erwartet und Rob hatte am Eröffnungstag Geburtstag. Kurz bevor wir die Fähre verließen, lud er uns noch zu diesem ein. Am Montag im „Full Throttle Saloon“ stieg also zeitgleich mit der Eröffnung der Rally Robs Geburtstagsparty und da wir noch einige Kilometer bis dorthin vor uns hatten, beschlossen wir einfach so schnell wie möglich nach Buffalo zu Paul und Heidi Mumm zu kommen, um mit ihnen Zeit zu verbringen und rechtzeitig zum Geburtstag in Sturgis zu sein. In der ersten Nacht nachdem wir aus Seattle abfuhren, schliefen wir aus diesem Grund auch einfach in einer Rest Area neben der Interstate 90. Auf diesem Autobahnparkplatz waren kleine abgezäunte Picknickecken und wir legten uns dort einfach neben einen der Tische. Am nächsten Morgen wurden wir gegen 5 Uhr etwas unsanft geweckt, da die Sprinkleranlage aus dem Boden fuhr und uns komplett durchnässte. Sehr gut. Duschen war für diesen Tag also auch schon erledigt und sehr Zeitoptimiert, ging es um 5:30 Uhr wieder auf die Interstate in Richtung Osten. Der gesamte Tag bestand überwiegend daraus Kilometer bzw. Meilen zu machen.

Als Tagesziel hatten wir Bozeman auserkoren. Dies hatte sich bereits einen Tag zuvor ergeben, da Constantin aufgrund seines Deutschlandschildes an einer Tankstelle von Dillon angesprochen wurde und wir von ihm und seiner Freundin Tess eingeladen wurden eine Nacht bei Ihnen in Bozeman zu verbringen. Sie wohnen normalerweise in Seattle sind aber wegen einer Hochzeit auf dem Weg zurück in die Heimat. Die Gastfreundschaft, die uns hier entgegenschlägt, ist wirklich überwältigend. Wir haben bereits so viele Einladungen entlang unseres Weges erhalten. Wirklich toll! Als wir in Bozeman ankamen empfing uns Tess und sagte uns, dass Dillon überhaupt nicht da sei, weil er an diesem Abend aufgrund eines Junggesellenabschieds wandern war. Wir sollten einfach zu seinen Eltern fahren, die würden uns unseren Schlafplatz zeigen und wir könnten uns danach wieder mit ihr in der Stadt treffen, um das Nachtleben von Bozeman zu erkunden. Wir fuhren also zu Dillons Eltern und wurden unglaublich herzlich von ihnen empfangen. Nach einer Dusche ging es dann in die Stadt und wir zogen mit Tess durch ein paar Bars. Aufgrund der Sperrstunde war um 2 Uhr Schluss und wir gingen schlafen. Nachdem wir uns am nächsten Morgen mit einem Frühstück gestärkt hatten, ging es wieder auf die Straße und in Richtung des Yellowstone Nationalparks. Der Park ist der älteste Nationalpark der Welt und wurde 1872 gegründet. 62 Prozent aller weltweit existierenden heißen Quellen liegen im Yellowstone Gebiet und somit ist der Park vor allem für seine geothermalen Aktivitäten bekannt. In den Quellen leben verschiedenste Bakterien und Algen, die für die unterschiedlichen Braun- Blau- und Grüntöne verantwortlich sind. Nachdem wir aus dem Park fuhren, überlegten wir, ob wir uns zwischen Yellowstone und Buffalo einen Schlafplatz suchen oder einfach durchfahren sollten. Das letzte Streckenupdate vor dem Nationalpark hatte uns gesagt, dass es noch knapp über drei Stunden nach Buffalo seien. Da wir durch den kompletten Park gefahren und ihn am Ostausgang verlassen hatten, schätzten wir die Strecke als noch machbar für den Abend ein. Als die Dämmerung einsetzte, erreichten wir die Stadt Cody, die bereits einen Vorgeschmack auf Sturgis gab. Harleys und die dazugehörigen Biker soweit das Auge reichte. Wir suchten uns ein offenes WLAN und erschraken ein wenig, da der Weg bis Buffalo immer noch mit drei Stunden angegeben war. Wir waren zwar genau auf der richtigen Höhe, aber leider fehlte eine reine Ost-West Verbindung, was dazu führte, dass wir erst wieder zurück nach Norden auf die Interstate mussten. Wir beschlossen dennoch weiter zu fahren, da wir so gegen Mitternacht in Buffalo ankommen sollten. Nach ein paar Kilometer war es aber bereits so dunkel, dass wir extrem vorsichtig fuhren, um in keinen Unfall mit den oft am Straßenrand oder auf der Straße stehenden Tieren zu geraten. Irgendwann viel dann auch noch Constantins Vorderlicht aus, sodass wir aufgrund der Reparaturzeit und des vorsichtigen Fahrens um vier Uhr endlich bei Heidi und Paul in Buffalo ankamen. Da wir niemanden wecken wollten, schlugen wir unseren Schlafplatz einfach in der Einfahrt auf. Als Paul um 8:30 Uhr morgens seine Garage öffnete und ich dadurch wach wurde, sahen wir uns nach zwölf Jahren das erste Mal in dieser Konstellation wieder.

Constantin bezog sein Schlafzimmer, um noch etwas zu schlafen und ich fuhr mit Heidi zu Kelly, Johns Schwester. Auch sie hatte ich zwölf Jahre nicht gesehen. Mittlerweile hat sie geheiratet und ich lernte Nick und ihren Sohn Benjamin kennen. Sie erzählten uns, dass sie später noch zum Rodeo gehen wollten und fragten, ob wir nicht auch Interesse daran hätten. Klar! Ein Rodeo ist tatsächlich richtig spannend. In verschiedenen Disziplinen versuchen Cowboys auf Bullen, Pferden ohne Sattel oder Pferden mit Sattel zu reiten, während diese kontinuierlich versuchen ihren Reiter abzuwerfen. In weiteren Disziplinen wird versucht Kühe mit dem Lasso zu fangen oder mit Stieren zu ringen. Nach knapp vier Stunden hatten wir dann genug und schauten und noch die Stadt an. Wir machten einen kurzen Stop im Occidental Saloon, welches 1879 eröffnet wurde und zur damaligen Zeit eine Mischung aus Bank, Hotel und Restaurant war. Zu seinen berühmtesten Gästen zählen Tom Horn, Buffalo Bill Cody und Teddy Roosevelt.  Außerdem besuchten wir eine der zahlreichen Micro-Brewerys, um dort ein Beer Tasting zu unternehmen. Ich muss sagen, dass diese kleinen Brauereien, wirklich einen ganz eigenen Charme versprühen und richtig gutes Bier brauen. Den Abend ließen wir danach mit einem großen BBQ ausklingen. Nick erzählte uns dabei, dass er bereits vor einigen Jahren die Motorradrallye in Sturgis besucht habe und es ein richtiger Kampf für uns werden würde, überhaupt in die Stadt zu kommen, da die Straßen am ersten Tag kilometerweit vorher schon komplett verstopft seien und wir natürlich weder einen Schlafplatz noch sonst irgendetwas organisiert hatten. Wir standen also nun vor der Frage, ob wir trotzdem am nächsten Tag nach Sturgis fahren sollten, auf die Gefahr hin weder die Stadt zu erreichen noch den Geburtstag bzw. Rob zu finden oder einfach noch einen Tag länger bei Paul und Heide verbringen sollten, um erst am zweiten Tag nach aufzubrechen. Wir entschieden uns für die zweite Option, da wir befürchteten in der größten Biker Bar der Welt sowieso niemanden zu finden und Paul zeigte uns die Gegend um Bufallo. Er führte uns erst zum Clear Creek und später in den Crazy Woman Canyon. Abends schauten wir nochmals im Occidental Saloon vorbei und genehmigten uns einen Buffalo Burger. Hierbei beschlossen wir den Großteil unseres Gepäcks bei Heidi und Paul zu lassen, um uns in Sturgis nicht mit der Unterbringung unserer Habseligkeiten befassen zu müssen. Um in der Nähe um Sturgis einen Schlafplatz zu organisieren, waren wir ohnehin viel zu spät. Rob hatte uns auf der Fähre erzählt, dass er und seine Frau mit 3 anderen Paaren bereits vor Monaten eine Wohnung für knapp 1000 $ die Nacht gebucht hatten. Da das unser Reisebudget absolut sprengen würde, gingen wir einfach optimistisch an die Sache ran und machten uns am nächsten Tag gegen Mittag auf, um uns ins Getümmel zu stürzen.

Nach ca. 1h kamen wir in einen Hagelsturm, der sich wie ein Ring um Sturgis gelegt hatte. Es machte auf uns fast den Eindruck, als sollten es nur die „harten Jungs“ bis nach Sturgis schaffen. Wir hatten hier einen immensen Vorteil, da wir uns im Gegensatz zu den Harley Fahrern in GoreTex gekleidet durch den Sturm kämpfen konnten. Die meisten der restlichen Biker hatten lediglich eine Art Poncho übergeworfen, der aber sicher nicht viel half und auch keinen Helm an. Auch Constantins Anzug schützte ihn leider nicht komplett und so kam bei ihm einiges an Regen durch. Ich hatte lediglich oben am Kragen ab und zu einen Tropfen, der sich in den Anzug verirrte. Ein Hoch auf den Compañero. Nachdem wir diesen Wetterring verlassen hatten, wurde es immer klarer und als wir schließlich in Sturgis ankamen, war es knapp 40°C und nahezu wolkenlos. Sehr guter Start, um sich auf dieses Spektakel einzulassen. Da wir rein gar nichts geplant hatten, schlossen wir uns einfach den Scharen an Motorrädern an und krochen einmal in einer Blechlawinen begleitet von kernigem Motorsound durch Sturgis. Mit unseren 583cm³ (Honda) bzw. 650cm³ (BMW) hörten wir uns ein wenig so an, als würden wir mit einem Fön neben diesen Donnermaschinen entlang fahren und auf einmal waren wir per Zufall an dem einzigen Ort, von dem wir bereits etwas gehört hatten: Dem „Full Throttle Saloon“. Wie soll ich diesen Saloon beschreiben? Ich hatte vorher schon gelesen, dass sich der Saloon auf 30acres erstreckt, hatte aber schlichtweg keine Ahnung was das umgerechnet in m² bedeutet. Es sind 121.405m². Definitiv deutlich größer als das was ich erwartet hatte. Der Saloon ist eigentlich eine Art Freizeitpark für Biker. Wer den Film „From Dusk Till Dawn“ gesehen hat, kann sich ein ungefähres Bild davon machen, was einen in diesem Saloon erwartet. Natürlich ohne Vampire und Schießerei. Auf mehreren Bühnen spielten an dem Abend verschiedenste Bands und ich kann wirklich jedem, der sich mal mit dem Motorrad nach South Dakota verirren sollte, empfehlen das Full Throttle Saloon zu besuchen. Gegen zwei Uhr sind wir dann mit dem Rest der Partymeute zur Sperrstunde raus gekehrt worden und haben uns auf die Suche nach einem Schlafplatz gemacht. Wir hatten bereits mittags eine Art Aussichtsplattform auf einer kleinen Anhöhe direkt neben dem Parkplatz ausgemacht, die sich als guter Schlafplatz zu eignen schien und tatsächlich: Wir haben perfekt geschlafen, sind morgens sanft von erneut aufkommendem Motorensound geweckt worden und haben 1000$ gespart. Den Tag haben wir genutzt, um die angrenzenden Black Hills zu erkunden, in denen auch der Mount Rushmore liegt. Oft ist es so, dass man auf Fotos etwas schon gesehen hat, was in der Realität aber direkt neben einer großen Stadt liegt oder deutlich kleiner ist, als es auf dem Bild erscheint. Mount Rushmore ist anders. Die in den Berg gesprengte und gehauene Steinskulptur, die die jeweils 18 Meter hohen Köpfe der Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln zeigt, wurde im Jahr 1941 nach 14 Jahren fertiggestellt und liegt tatsächlich mitten in den Black Hills. Da wir Abends wieder in Buffalo bei Heidi und Paul sein wollten, um am nächsten Tag endlich zu John nach Wheatland zu fahren und keine Lust hatten wieder in der Dunkelheit unterwegs zu sein, machten wir danach kehrt und fuhren zurück. Ich glaube, dass ich an den beiden Tagen mehr Motorräder gesehen habe, als in meinem bisherigen Leben zusammen. Es war wirklich aufregend so ungeplant und zufällig bei solch einem riesigen Event dabei gewesen zu sein. Gestern der Tag bestand lediglich daraus auszuschlafen und Wyoming einmal in der Nord-Südachse zu durchqueren, um zu John zu fahren. Schönes Wochenende euch.