Gegen neun Uhr abends trafen wir nach unserer Nord-Süd Durchquerung des Staates Wyoming außerhalb von Wheatland auf eine Ranch, die der Beschreibung nach die sein konnte, auf der John lebt. Zunächst waren wir uns aber nicht sicher, ob wir richtig sind, da der Eingang mit einem Stacheldraht verschlossen war, an dem ein Schild angebracht wurde, welches mit einer Strafe von bis zu 10.000$ drohte, sollte man das Grundstück betreten. Wir haben also einfach mal wild gehupt, um nach dem Weg zu fragen und gehofft, dass sich kein Cowboy zu später Stunde gestört fühlt und versucht uns mit Waffengewalt zu vertreiben. Wir hatten Glück. Aus dem Haus kam John, der sich natürlich sehr freute uns zu sehen und daher herzlich in Empfang nahm. Er erklärte uns, dass der Stacheldraht die Kühe aus dem Umland vom Grundstück fernhalten sollte und das Schild durch den Rancher angebracht wurde, um unliebsame Gäste fernzuhalten. Nachdem wir uns mit einer selbst gemachten Pizza gestärkt und von unserer bisherigen Reise berichtet hatten, planten wir die nächsten Tage und gingen ins Bett. Der nächste Tag begann vergleichsweise früh für mich, da ich eine neue Kette und ein Ritzel auf mein Motorrad bekommen sollte. John brachte mich zur Werkstatt, über die ich die neuen Teile bestellt hatte und zeigte mir danach etwas von seiner Arbeit. Kurz beschrieben ist es in Wyoming so trocken, dass John in den Sommermonaten täglich den Wasserstand bestimmter Reservoirs überwacht und anhand des Pegels entscheiden muss, wie das Wasser unter der Bevölkerung und vor allem den Bauern (zur Bewässerung) aufgeteilt wird. Da diese Reservoirs in den Bergen liegen, besteht ein Großteil seiner Arbeit darin, mit seinem Quad und seinem Truck durch die Natur zu fahren und sich den Weg zu seinem Ziel zu bahnen. Nach mehreren durchquerten Flüssen und einigen Kilometern in die Wildnis, checkten wir den Wasserstand eines Reservoirs und fuhren zurück in die Stadt. Ich ging zu Westwind Motorcycles und wurde durch den Mechaniker empfangen, der mein Motorrad repariert hatte. 370$ für eine Kette und die Arbeitszeit empfand ich als extrem teuer, aber die Waffe, die in seinem Hosenbund steckte, umgab ihn mit einer gewissen Aura, sodass ich mich nicht beschwerte, bezahlte und über meine neue Kette freute, die mich mindestens bis in den Norden Südamerikas bringen sollte.

Als ich zurück zu Johns Wohnung kam, begegnete mir Constantin ein wenig niedergeschlagen. Er hatte die letzten Wochen immer wieder davon gesprochen eine Angel zu kaufen und uns einige Fische zu fangen. Paul, der selbst gerne fischt, war natürlich Feuer und Flamme und kaufte gemeinsam mit Constantin einen Tag zuvor in Buffalo eine Teleskopangel nebst Zubehör. Als er nun von seinem ersten Angelerlebnis im Fluss hinter Johns Haus zurückkehrte, hatte er leider keine Fische, sondern nur diverse Steine und Bäume gefangen, was dazu führte, dass die neue Angel bereits gebrochen war und sich die Haken irgendwo auf dem Grund des Flusses befanden. John versicherte ihm, dass das am Anfang durchaus öfter passiert, wir aber am nächsten Tag eine neue Rute kaufen und einen neuen Versuch wagen könnten. Den Abend ließen wir mit einem entspannten BBQ im Garten ausklingen und beobachteten dabei den Meteoritenschauer, der aufgrund der fehlenden Umgebungsbeleuchtung durch größere Städte super zu sehen war. Am nächsten Morgen machten wir uns dann auf den Weg zur höchsten Erhebung der Laramie Mountains, dem Laramie Peak (3132 Meter) und in ein nahegelegenes Reservoir, um endlich ein paar Fische zu fangen. Unter Johns Anleitung gelang es Constantin auch tatsächlich einen Fisch zu fangen und ihn aus dem Wasser zu ziehen, allerdings war er zu klein, um ihn zu essen, sodass er wieder ins Wasser entlassen wurde. Da es zum Abendessen somit keinen Fisch gab, zauberte John einen traditionell zubereiteten amerikanischen Hackbraten (Meatloaf). Traditionell amerikanisch ging es auch am nächsten Morgen weiter, als wir ein paar hundert Meter raus gingen, um mit einem Smith and Wesson Revolver .387 und einer Remington 870 Magnum Pumpgun ein paar Büchsen abzuschießen. Nach ein paar Versuchen und der Zeit, die es braucht, um sich an den Rückstoß zu gewöhnen, wird man doch erschreckend schnell sehr treffsicher. Da ist es schon verrückt, dass man einfach in einen Walmart spazieren kann, um sich mit allem einzudecken, was man so für seinen privaten Kleinkrieg braucht. Im ortsansässigen Sportgeschäft hätten wir beispielsweise für 11.000$ ein Scharfschützengewehr kaufen können. Wofür benötigt man so etwas daheim? Nichts desto trotz bringt so ein kurzer Ausflug in die Welt der Schusswaffen auch einen gewissen Reiz und Spaß mit sich. Nachdem wir alle Hülsen und durchlöcherten Dosen eingesammelt und uns wieder abfahrtbereit gemacht hatten, ließen wir John und Wheatland hinter uns, um uns zurück in Richtung Küste zu bewegen. John hatte uns noch empfohlen einen kleinen Schlenker durch den Medicine Bow National Forest zu unternehmen.

Gute Empfehlung! Glücklicherweise verfuhren wir uns ein wenig, was zu Folge hatte, dass wir noch etwas von Colorado sahen und uns mitten in der Steppe begleitet von Coyoten Geheul einen Schlafplatz suchten. Nach endlosen Kilometern auf Schotterwegen fanden wir schließlich einen öffentlichen Campingplatz auf dem wir neben ein paar Kühen die einzigen Anwesenden waren. Die nächsten beiden Tage führten uns entlang der für die USA historisch bedeutsamen Interstate 80 (I-80), welche nahezu identisch mit dem historischen Lincoln Highway verläuft, der bereits 1913 erdacht wurde und beide Küsten miteinander verbinden sollte. Er verlief vom Time Square in New York bis zum Lincoln Park in San Francisco. Uns führte er an diesem Tag lediglich durch Rock Springs und Salt Lake City. Die Stadt am Salt Lake ist die Hauptstadt des Bundesstaat Utah, wurde 1847 von religiösen Flüchtlingen der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ (kurz: Mormonen) gegründet und bildet auch heute noch deren Zentrum. Im Stadtkern steht der Salt Lake Tempel, der am 6.April 1893 exakt vierzig Jahre nach Baubeginn eingeweiht wurde und seither der größte Tempel der Mormonen ist. Die ursprünglich geplante Erkundung des namengebenden Salt Lake haben wir aufgrund eines aufziehenden Gewitters ausfallen lassen und sind begleitet von Regen am gleichen Abend noch in Richtung Westen geflüchtet. Zu später Stunde hielten wir am Lottie Dell Campground in Snowville, welcher an einem Golfplatz gelegen für alle Übernachtungsgäste einen Eimer Golfbälle auf der campingplatzeigenen Driving Range bereithält. Am nächsten Tag nutzen wir dies, um uns in dieser Disziplin zu versuchen. Golf ist definitiv nicht unser Sport, deshalb ging es auch kurze Zeit später weiter und wir erreichten am Abend noch die erste Stadt Oregons auf unserer Route, Ontario. Das Touristeninformationscenter am Ortseingang lud zum ausgiebigen Rasten auf dem Gelände ein, was wir als Aufforderung zur Übernachtung verstanden und dankend annahmen. Der nächste Tag war der bisher anstrengendste der gesamten Reise, da wir den gesamten Tag ausschließlich durch einen Mix aus Wüste und Prärie fuhren. Unsere Motorräder wurden immer heißer und die neue Kette, die mir schon seit ihrer Montage sorgen bereitete, fühlte sich zunehmend so an, als würde sie mir gleich vom Motorrad springen. Aus diesem Grund hatten wir bereits die letzten Tage mehrere Stopps einlegen müssen, um sie zu spannen. Ich hoffte lediglich, dass die Kette an diesem Tag noch durchhält und wir bzw. ich nicht hier strande und in der Hitze auf Hilfe warten muss. Es ging zunächst alles gut und wir erreichten Bend. Hier wollten wir tanken, etwas trinken und uns kurz auszuruhen. Der Plan war an diesem Tag noch den Willamette National Forest zu erreichen, um einen Tag später endlich den berühmten Highway 101 entlang der Küste nach Süden zu fahren. Als wir an der Tankstelle standen, sah uns Jay und sprach uns auf unsere deutschen Nummernschilder und die Flaggen an. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte uns von seiner deutschen Verwandtschaft. Kurz danach lud er uns zu sich nach Hause ein und bot seinen Garten an, um unser Zelt dort aufzubauen. Natürlich nahmen wir das Angebot an und fuhren mit zu ihm nach Hause. Auf die Frage, ob in der Nähe ein kleiner See sei, den wir zum Abkühlen nutzen könnten, entgegnete er, dass er sowieso gleich in seinen Pool springen wollte und wir uns gerne dazugesellen könnten. Perfekt! Jay und seine Freundin Heidi hatten an diesem Abend noch weitere Freunde zu Gast und uns wurden verschiedene Biere der ortsansässigen Brauereien gezeigt. Bend hat mit 21 Brauereien eine sehr hohe Dichte, ist daher als Bierhauptstadt des Westens bekannt und man merkt, dass die Leute hier, gerade gegenüber Deutschen, mächtig stolz auf die aufkommende Braukultur sind. Zu Recht! Viele der Weltbierpreise gehen mittlerweile an diese kleinen Brauereien in den USA und auch mir schmeckt das was hier gebraut wird außerordentlich gut. Nach einem tollen Abend mit Bier und gutem Essen fuhren wir am nächsten Morgen weiter, um an diesem Tag die Küste zu erreichen.

Nach ca. 3 Kilometern merkte ich allerdings, dass sich meine Kette immer schlimmer anfühlte und wir legten, bevor wir eigentlich richtig los gefahren waren, wieder eine Pause ein, um die Kette erneut zu spannen. Das Problem war nun aber, dass sie nicht mehr zu spannen ging. Ich hatte trotz maximal einzustellender Spannung noch ein Kettenspiel von ca. 7 cm, normal sind 3cm. Ich wollte so nicht weiterfahren und machte einen kurzen Stop bei ProCaliber, um eine professionelle Einschätzung der Lage zu erhalten. Schnell war klar, dass ich in Wheatland 370$ Lehrgeld bezahlt hatte und dafür zukünftig den Unterschied zwischen einer O-Ring Kette und einer Standartkette kenne. Was nämlich in Wheatland auf mein Motorrad aufgezogen wurde, ist laut dem Service Manager "Rex" bei Pro Caliber bestenfalls für Dirtbikes geeignet, die keine längeren Strecken fahren. In unserem Fall wird die Kette durch die Dauerbelastung allerdings so heiß, dass sie sich verformt und relativ schnell nicht mehr zu gebrauchen ist. Für 145$ habe ich innerhalb von einer halben Stunde nach Ankunft eine neue O-Ring Kette erhalten. Für die gute, schnelle und vergleichsweise sehr günstige Arbeit möchte ich nochmal meine Empfehlung für Pro Caliber aussprechen. Sollte jemand also mal in der Nähe um Bend in Oregon unterwegs sein und Probleme mit seinem Motorrad haben, ist das eine sehr gute Adresse. Nachdem die BMW wieder fit war, konnten wir endlich losfahren und erreichten abends schließlich Newport, welches unser Tor zum 101 und den Beginn unserer Küstentour bildete (siehe Brückenbild ganz oben). So viele Menschen hatten mir bereits im Vorfeld in Deutschland vom 101 vorgeschwärmt und auch auf der bisherigen Reise haben wir vielen Leuten ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, wenn wir davon erzählten demnächst den 101 in Richtung Süden zu nehmen. Es war für mich schwer zu verstehen, wieso diese Straße immer diese Reaktion auslöst, aber seitdem ich nun selbst bereits ca. 700 km dieses Highways gefahren bin, weiß ich diese Reaktion zu deuten. Es ist einfach eine traumhafte Straße. Die meiste Zeit hat man auf der einen Seite die Küste und einen grandiosen Blick auf den Pazifik, wenn die Straße nicht gerade durch ein kleines Küstenstädtchen oder die gigantischen Redwoods führt. Anders als viele der Straßen, die wir bisher gefahren sind hat der 101 (und auch später der Highway 1) außerdem sehr viele Kurven, was ihn für Motorradfahrer umso spannender macht. Entlang des 101 machten wir einen kurzen Halt am Sea Lion Cave. Hier kann man mit einem Aufzug in eine Höhle fahren, um sich dort Seelöwen anzuschauen. Wir überlegten kurz, ob wir in die Höhle sollten, entschieden uns aber dagegen, da man auch von der Straße aus einige dieser Tiere sehen konnte und ich bin froh, dass wir uns so entschieden haben, denn nach ein paar Minuten viel mir eine Spur im Wasser auf. Erst dachte ich, dass einer der Seelöwen Grund aufgewirbelt und in einer Linie hinter sich hergezogen hätte, bis diese Spur immer größer wurde, schließlich auftauchte und ich erkannte, dass das was ich dort gesehen hatte keine Spur im Wasser sondern Wale waren. Leider weiß ich nicht um welche Walart es sich handelte, aber trotzdem ist es aufregend so zufällig diese riesigen Tiere in freier Wildbahn zu Gesicht zu bekommen. Nach diesem Erlebnis machten wir uns auf den Weg und trafen am Floras Lake ein. Ich hatte schon länger den Wunsch mal Kitesurfen auszuprobieren und es schien so, als würde sich hier die Gelegenheit ergeben. Der See ist durch eine Düne umschlossen, sodass hier keine großen Wellen sind. Er liegt aber direkt am Pazifik, sodass der Wind ungebremst über die Düne in die Kites dringen kann und so für genügend Vortrieb sorgt. Da wir allerdings leider an einem Wochenende hier angekommen waren, hatte die ansässige Surfschule keinen Slot mehr für einen Lehrgang frei und so genossen wir einfach einen Tag am Pazifikstrand. Bevor wir montags abreisen wollten, lernte ich noch Lynda kennen, die mit ihrer gesamten Familie öfter zum Surfen hier her kommt und ca. 4h südlich wohnt. Nachdem sie mir ein paar Tipps für die Redwoods gegeben hatte, bot sie uns noch einen Schlafplatz und ein Abendessen bei sich an, sollten wir durch Fortuna kommen. Einer der Tipps in den Redwoods war durch den Jedediah Smith Park entlang des Highway 199 zu fahren, welche eine kurze aber tolle Motorradstrecke ist, die auf die Mammutbäume des Redwood Nationalparks einstimmt. Anschließend kehrten wir bei Lynda, Kirk, Amos und Moriah ein. Wir kamen unwissend zu einem besonderen Anlass, da Amos an diesem Tag 20 Jahre alt wurde. Mit einem vorzüglichen Geburtstagsdinner wurden wir empfangen und wieder einmal muss ich über diese enorme Gastfreundschaft staunen. Amos, der momentan in einer Werkstatt arbeitet, erklärte sich noch bereit den defekten Seitenständer von Constantin zu reparieren und so verließen wir gestern Mittag gestärkt Fortuna, um die Avenue oft the Giants zu befahren. Diese Straße gehörte ursprünglich zum 101 und führt durch den Humboldt Redwoods State Park, in dem einige der bekanntesten Bäume der Redwoods stehen. Unter anderem der Immortal Tree, der ca. 950 Jahre alt ist und eine Sturmflut von 1964, einen direkten Blitzeinschlag, der 14 Meter der Spitze abtrennte und einen Abholzungsversuch überlebte. In Leggett sind wir dann vom 101 abgefahren, da dieser hier ins Landesinnere führt und durch den Highway 1 vorübergehend als Küstenstraße abgelöst wird. Das Tagesziel für heute: San Francisco.

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